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Expert Agents: Spezialisierte KI-Agenten in der Beratung

Wie spezialisierte KI-Agenten (Expert Agents) Beratung individueller machen und welche Rolle Expertenwissen und Datenqualität dabei spielen.

Vom Generischen zum Experten: Wie "Expert Agents" die KI-Landschaft verändern

Künstliche Intelligenz-Systeme wie ChatGPT oder Gemini sind allgegenwärtig – sie unterstützen Nutzer:innen bei der schnellen Texterstellung, Ideensammlung oder Recherche. Insbesondere im beratungsintensiven Branchen, stellt sich jedoch eine berechtigte Frage: Wo bleibt die Differenzierung, wenn alle die gleichen KI-Modelle nutzen?

Das Problem der Generizität

Ein oft genannter Kritikpunkt ist die Austauschbarkeit von KI-Ergebnissen. Unternehmen, die KI-Systeme “out of the box” nutzen, riskieren, ihren Kund:innen keine individuellen Mehrwerte zu bieten – insbesondere dann, wenn Beratungen auf Basis der gleichen Modelle und Daten arbeiten. Der Einsatz sogenannter Prompt Engineering-Techniken (wie z. B. “You are a marketing expert…” oder “Answer in the style of Gary Vaynerchuk...”) kann eine gewisse Spezifikation bringen, hat jedoch oft mehr optischen als inhaltlichen Wert.

Der nächste Schritt: Context Engineering

Eine neuere Entwicklung ist das Context Engineering: Hierbei wird der KI gezielt eigenes Vorwissen, etwa aus firmeneigenen Dokumenten, früheren Projekten oder exklusives Fachwisssen, zur Verfügung gestellt, um spezifischere und relevantere Ergebnisse zu generieren. Doch auch hier gilt Vorsicht: Neben Datenschutzfragen steht das Problem „Garbage In, Garbage Out“ im Raum – nur qualitativ hochwertige und gut strukturierte Daten führen zu besseren Resultaten.

Kompetenzen und Expertenwissen: Gefahr der Nivellierung?

Mit dem Vormarsch generativer KI wächst die Sorge vieler Fachkräfte, dass ihr individueller Erfahrungsschatz durch KI subsummiert oder gar entwertet wird – bspw. weil Unternehmen wie OpenAI ihre Modell mit deren Wissen trainieren oder interne Agenten entwickelt werden, die Experten-Know-how replizieren. Zudem argumentieren einige Stimmen, dass eine KI die “70% Leistung” liefert künftig reichen könnten. Gleichzeitig jedoch zeichnet sich "Brand" als Moat in der KI aus.

Die Antwort: Der Aufstieg der Expert Agents

Ein vielversprechender Ansatz, um Individualität, Präzision und Kontextwissen zu sichern, ist das Modell der Expert Agents.

Definition:

Ein Expert Agent ist ein spezialisierter KI-Agent, der gezielt für Aufgaben in einem bestimmten Fachgebiet entwickelt wurde. Im Gegensatz zu allgemeinen KI-Tools greift ein Expert Agent auf Expertenwissen, methodische Frameworks und exklusive Datensätze eines bestimmten Bereichs zurück – mit direkter Einbindung von Brancheninsidern und Praktikern. Die Vorteile: präzisere, kontextabhängige Ergebnisse, Automatisierung komplexer Workflows sowie Handlungsempfehlungen nach aktuellem Stand der Praxis.

Das Grundprinzip eines Expert Agent ist keineswegs neu. Bereits heute werden Checklisten, Frameworks oder “Thought Leadership”-Inhalte in ähnlicher Weise verbreitet. KI ermöglicht lediglich eine umfangreichere, “intelligenter” Art dieser Wissensvermittlung.

Was macht einen Expert Agent aus?

Grundsätzlich basiert ein solcher Agent auf drei Säulen:

  • Tools: Zugriff auf spezielle Werkzeuge oder Automatisierungen
  • Methodologie: Eingebaute, domänenspezifische Methoden oder Abläufe
  • Daten: Nutzung exklusiver, hochwertiger Datensätze, Benchmarks oder Erfahrungswerte

Multiplikation von Expertenwissen

Für Expert:innen eröffnet der Ansatz einen neuen Skalierungspfad – vergleichbar mit der Einstellung neuen Personals oder dem Aufbau eines Franchise-Systems. In beiden Fällen wird Wissen multipliziert und zum Einsatz gebracht, jedoch mit unterschiedlichem Grad an Kontrolle und Involvement. Während beim Personal-Ansatz die Kontrolle hoch, aber der Aufwand ebenso groß ist, erlaubt das Franchise-Modell eine großzügigere Verteilung bei minimaler Einflussnahme.

Distributionsmodelle: Marktplatz oder Lizenzgeschäft?

Spannend bleibt, wie und wo Expert Agents vertrieben werden:

  • Offene Marktplätze: Agent-Marktplätze, die es ermöglichen, Expert Agents branchenübergreifend anzubieten.
  • Lizensierung: Alternativ können Expert Agents gegen Gebühr exklusiv (zum Beispiel an Unternehmen im B2B2B-Modell) lizenziert werden.
  • Direkter Vertrieb: Expert:innen können ihre Agenten direkt an Endkund:innen vermarkten (zum Beispiel an Unternehmen, die spezifisches Know-how benötigen).

Zukunft von Expert Agents

Für Unternehmen, die Beratungsleistung suchen, spricht vieles für den Einsatz spezialisierter Agenten. Agentenbasierte Beratungsleistungen können dynamisch bepreist werden (unterschiedliche Preisstufen, nutzungsbasiert…), das Beratungsergebnis ist instant verfügbar und Transaktionskosten werden reduziert (die steht und fällt natürlich mit der technischen Machbarkeit von Expert Agents - insbesondere im Hinblick auf Qualitätskontrolle).

Zudem können die Expert Agents als Einstiegspunkt der Beratungsleistung gesehen werden - sobald ein Maß an Vertrauen in die digitale Beratungsleistung vorhanden ist, kann die jeweilige Autorin des Expert Agents als menschliche Beraterin dazugeholt werden.

Es bleiben selbstverständlich noch viele offene Themen, wobei die „Haftungsfrage“ vielleicht die wichtigste ist: Beratungen werden auch deshalb konsultiert, weil sie haftbar gemacht werden können – ein Aspekt, der bei KI-gesteuerten Agenten bisher kaum geklärt ist.

Fazit

Expert Agents könnten die nächste Evolutionsstufe individueller Beratung und Wissensarbeit sein. Sie bieten eine vielversprechende Möglichkeit, Spezifität, Effizienz und Reichweite in Einklang zu bringen. Damit solche Agenten jedoch wirklich nachhaltigen Wert liefern, müssen Expert:innen, Unternehmen und Endkonsument:innen gleichermaßen auf Qualität, Verlässlichkeit und Kontrolle achten.